Mit fünfzehn Jahren ist Roland Barthes bereits ein begeisterter Theaterbesucher, und als junger Student ist er Mitbegründer einer Theatergruppe an der Sorbonne. Seine Vorliebe für das antike Theater führt ihn 1938 nach Griechenland. 1940 schließt er sein Studium mit einer Diplomarbeit über die griechische Tragödie ab.
1954 sieht er im Rahmen des Internationalen Pariser Theaterfestivals die Mutter Courage des Berliner Ensembles. Barthes ist von der Spielweise des Brechtschen Theaters begeistert. Er interessiert sich immer mehr für die Soziologie des Theaters und wird zu einer treibenden Kraft der Zeitschrift Théâtre populaire, die damals die brechtschen Positionen kompromißlos vertrat. Er verfaßt mehrere Leitartikel, die in dem Band erstmals versammelt sind. Das Buch bringt daneben grundsätzliche Essays, etwa über das antike Theater, Shakespeare und insbesondere über die französische Theateravantgarde. Hinter den Texten steht der Utopiegedanke eines Théâtre populaire, das avancierte Ästhetik, politischen Anspruch und eine Verankerung in allen Bevölkerungsschichten verbindet, das Theater, »das den Menschen vertraut«.
Anfang der 60er Jahre distanziert sich Roland Barthes vom Theater, wendet sich schließlich von der Bühne ab, nachdem er sich jahrelang dafür begeistert hatte. Der einstige Redakteur der Zeitschrift Théâtre populaire reagierte oft völlig entnervt, ja zornig auf Theatervorstellungen, er, der sich zum Fürsprecher Brechts und des Théâtre national de Paris gemacht hatte, konnte für das Theater kein Interesse mehr aufbringen und langweilte sich. Auch über diesen Prozeß legt Barthes Zeugnis in seinen Schriften zum Theater ab.
»Ich habe das Theater immer sehr geliebt, und dennoch gehe ich fast nie mehr hin. Das ist ein Wandel, der mich selbst befremdet. Was ist geschehen? Wann ist es geschehen? Habe ich mich verändert? Oder das Theater? Liebe ich es nicht mehr, oder liebe ich es zu sehr?« Roland Barthes