Von Flaubert bis Modiano, einen Großteil der Bücher lesen wir in Übersetzung – aber lesen wir den Text des Autors oder des Übersetzers?
In der fortwährenden Diskussion über die Kunst des literarischen Übersetzens fallen unweigerlich zwei Namen: Walter Benjamin und Friedrich Schleiermacher. Doch während Benjamins Essay Die Aufgabe des Übersetzers (1923) leicht zugänglich ist, wird Schleiermachers legendäre Abhandlung Über die verschiedenen Methoden des Übersetzens (1813) zwar ständig zitiert, aber fast nie gelesen. In modernen Leseausgaben ist sie nicht enthalten, und eine separate Buchveröffentlichung wurde nie vorgelegt. Die Neuausgabe schließt endlich eine der großen Lücken der Übersetzungstheorie.
Elisabeth Edl und Wolfgang Matz haben Schleiermachers Text nach dem Erstdruck aus dem Jahr 1816 neu ediert. In ihrem ausführlichen Nachwort beleuchten sie unter dem Gesichtspunkt der Theorie und einer jahrzehntelangen praktischen Erfahrung mit dem Übersetzen von Prosa und Poesie die nach wie vor fundamentale Bedeutung, die Schleiermachers Ideen auch heute noch für jede Beschäftigung mit dem Problem der Übersetzbarkeit großer Literatur haben.
»Die Frage, wie sehr eine Übersetzung dem Inhalt eines literarischen Textes und wie sehr sie auch der Form, der Sprache verpflichtet ist, ist seit Schleiermacher klargestellt: Ohne die Beachtung der Sprache eines Romans kann die Übersetzung dieses Romans keine Literatur sein. Oder mit Hans Magnus Enzensberger: ›Was nicht selber Poesie ist, kann nicht Übersetzung von Poesie sein.‹« Elisabeth Edl